Einleitung St. John's Cape St. Mary's Bay of Exploits Gros Morne Südküste Cape Breton Tidal Bore

Montag - 22.7. - Gander


Dann geht es auch schon weiter, durch den Terra Nova National Park und hoch an Gambo vorbei nach Gander. Gerry und Stephanie empfangen uns herzlich, und obwohl wir bewusst spät ankommen, lassen wir uns zu einem kompletten Abendessen überreden. Gerry schmeißt wie üblich den Grill auf seiner Terrasse an, drückt mir ein Bier in die Hand, und Stephanie kümmert sich um den Rest. Das Haus ist nicht groß, aber bis ins Detail ausgestattet. Nach ausgiebigem Erzählen werden wir in Heathers Zimmer einquartiert.
Dienstag - 23.7. - Boyd's Cove


Heute machen wir einen Tagesausflug nach Twillingate, eine Stadt in einer Inselwelt, wo wir schon vor 6 Jahren den Wunsch zum Paddeln verspürten. Heute besichtigen wir aber erstmal auf mehrfache Empfehlung das Beothuk-Museum in Boyd’s Cove. Ich war sehr skeptisch, denn die Beothuk sind sozusagen unter Obhut der europäischen Zuwanderer ausgestorben und jetzt wird daraus eine Attraktion gebaut. Aber das ist wohl etwas einfach gedacht. Die Ausstellung steht im Zusammenhang mit der Ausgrabung einer Siedlungsstelle in der Nähe und vermittelt ein sehr lebendiges Bild vom Leben der Indianer. Sehr interessant ist, wie sie z.B. im Winter zurückgelassene Schiffe der Europäer verbrennen und die Eisennägel daraus zu Werkzeugen umarbeiten. Sie haben es wohl gut verstanden, von diesem für uns so unwirtlichen Land zu leben und waren dabei auch unerwartet groß, ca. 1,80m. Letztendlich waren sie wohl mit etwa 1000 Personen einfach zu wenig für die Veränderungen, die die Weißen mitbrachten.
Boyd's Cove
Dienstag - 23.7. - Twillingate


Jetzt geht es aber wirklich auf die Inseln, die alle nah beieinander liegen und mit Brücken bzw. Dämmen verbunden sind. In Twillingate wollen wir mal schnell was essen, aber wie am Nachbartisch ein Hummer aufgetafelt wird, können auch wir nicht wiederstehen. Weil die Zubereitung eine halbe Stunde dauert (warum eigentlich?), teilen wir uns vorher ein mit Käse überbackenes Kabeljau-Sandwich, was auch schon prima schmeckt. Beim Hummer ist dann die Farbe und das Suchen und Hervorangeln der essbaren Teile das eigentlich aufregende. Der Preis liegt dann auch bei stolzen 28$.

Crow Head mit seinem Leuchtturm und seinen steilen Klippen am Ende der Landzunge ist immer wieder schön. Wir sehen drei Eisberge in der Ferne, einer davon ähnelt verblüffend einem Schiff. Auf halber Höhe der Klippen sieht man Leute auf einem Plateau spazieren gehen, aber wir finden keinen vernünftigen Zugang.

Auf der Rückfahrt schauen wir uns eine alte Holzkirche an und genießen in einer kleinen Bucht (Wild Cove) die Farben rund um die Anlegestelle. Mit der schwächer werdenden Sonne suchen wir French Cove, eine Bucht am östlichen Rand von Twillingate, wo man baden können soll. Twillingate hat erstaunlich viele Buchten und Verästelungen, die wir alle abfahren, um am Ende wieder mal in einem dieser herrlichen Flecken zu stehen, wo sich die faszinierende Botanik nur in den ersten 10 cm abspielt. Wir wandern ein paar hundert Meter über Felsen und Bodendecker, um an den Strand zu kommen, aber eigentlich ist es schon zu kalt zu Baden. Beim Rückweg zum Auto auf der geschützten Seite des Hügels sind die gleichen Irisse zu sehen wie eben auf der Meerseite, nur waren sie dort 20 cm hoch und sind hier 80 cm hoch. Wir kommen erst spät nach Gander zu Stephanie und Abendessen zurück.


Auf dem Trockenen
2 Boote in Wild Cove
 
Auf dem Weg zur French Cove
 
Strand und Felsen in Wild Cove
Mittwoch - 24.7. - John and Lindy


Heute wollen wir uns also mit John Sutherland zum Paddeln treffen. Gerry hatte uns den Kontakt vermittelt auf der Suche nach einem Outfitter für Meereskajaks. Der ganze Kontakt per Email und Telefon war etwas verwirrend, weil John eine intensive Betreuung anbot, die wir eigentlich gar nicht wollten, und keinen Preis dafür nennen wollte. In der Zwischenzeit hatten wir erfahren, dass er seine Prüfung als Guide noch nicht abgelegt hatte und daher keine Gebühr nehmen konnte. Ein solches Reglement hatte ich in Kanada nicht erwartet. John ist aber auch ein sehr ernsthafter Mensch, der den Lehrerberuf bei passender Gelegenheit aufgegeben hat und sich jetzt ganz dem Paddeln und den Ureinwohnern widmet. Tagesziel ist irgend eine alte Grabstätte der Beothuk. Wir treffen dementsprechend am Beothuk-Museum in Boyd’s Cove (wo wir gestern schon gefragt wurden, ob wir die Deutschen seien, die mit John Sutherland paddeln wollten). Nach kurzem Beschnuppern fahren wir zu einen Mitstreiter von John, Lindy Rideout, der in Cottlesville auf New World Island eine Kajakherstellung angefangen hat. Etwas mehr als 100 Boote nach eigenem Entwurf hat er mit 2 Helfern in seiner Werkstatt schon hergestellt, und wir schauen uns im Detail an, wie das funktioniert. Es ist die sprichwörtliche Garage, in der überall Fussel vom Glasfaser-Vlies rumschwirren und Kunstharz und Farben eine stechenden Geruch verbreiten. Lindy soll mitfahren, denn er kennt die Bucht mit Namen Spirit Cove, wo diese Grabstätte liegen soll. John zeigt uns Kopien aus einen Standardwerk über die Beothuk von Ingeborg Marshall. Dabei ist auch ein Bild von der Grabstätte, einem Rahmen aus Steinplatten mit einer Schaufel drin zum Größenvergleich. Langsam merken wir, dass weder er noch Lindy wissen, wie sie die Stelle finden sollen.

Zur Einstimmung hören wir den „Song for Newfoundlund“, der die beiden und später auch uns merklich bewegt. Mit zwei Autos und 4 Kajaks geht es dann los, aber wieder nicht zum Paddeln sondern zum Pot-in-the-Rock-See, wo die Gemeinde mit Unterstützung der Regierung einen Holzsteg rund um den See gebaut hat. Ein kleiner Abzweig führt dann zur Küste, wo ein kreisrundes Loch im Fels der Gegend seinen Namen gibt. John und Lindy diskutieren, ob dieser Platz mit Frischwasser, Zugang zum Meer und einer relativ ebenen Wiese möglicher­weise auch von den Beothuk bewohnt war. Die ersten Siedler sollen sogar geglaubt haben, dass der Topf von den Indianern in den Fels gehauen worden sei.

Mittwoch - 24.7. - Intricate Harbour


Endlich sind wir am Wasser. Intricate Harbour, eine stille und verzweigte Bucht. Die Boote haben kein Steuer, sind aber sehr gut zu bedienen. Wir paddeln los und Lindy erzählt sehr euphorisch von der Vergangenheit. Die Bucht ist so tief, dass hier früher Schiffe gebaut wurden („Labrador Schooner“). Lindy zeigt uns die Stelle, aber vom Wasser aus sind keine Spuren einer Werft zu erkennen. Das ist dann auch ganz verständlich, denn hier wurde sicher nicht industriell gearbeitet. Lindy beschreibt den Zimmermann, der mit Axt und Kreideschnur in den Wald geht, um genau das Brett zu holen, dass er gerade braucht. Die Bäume in der Umgebung, ihre Krümmung und die mögliche Verwendung in 10 oder 20 Jahren hat er im Kopf. Der Tagesablauf der Siedler wird vom Wind bestimmt. Der Wind entscheidet, ob man raus zum Fischen kann, oder ob man an Land bleibt zum Jagen, Beeren sammeln oder Holz schlagen.

Wir sind noch nicht warmgepaddelt, da schlägt John schon eine Mittagspause vor. Wir legen an einem Strand an, wo Lindy sofort ein kleines Feuer macht. Schnell steht ein Topf darauf voll mit Miesmuscheln, die die beiden mitgebracht haben. Während diese langsam im eigenen Saft schwitzen, bietet John eine Runde Sandwich an und wir erkunden die Gegend. Auch hier gibt es einen breiten Grasstreifen von Strand zum Hügel hoch und wir spekulieren darüber, wer diese Fläche mal genutzt haben könnte. Lindy vertreibt sich inzwischen die Zeit damit, Tee in einer Plastikflasche zu kochen. Das witzige dabei ist, dass das Wasser wirklich eher kocht, als die Flasche sich auflöst. Allerdings verformt sich das Plastik soweit, dass etwas ein Drittel des Wassers ausläuft, und Petra hat doch Bedenken, ob der ganze Weichmacher nicht am Ende im Tee ist. Als die Muscheln gar sind, fallen wir – eigentlich hauptsächlich ich - genüsslich darüber her. John als perfekter Führer reicht ein wenig Essig dazu, was wir aber gar nicht würdigen können. Inzwischen sind auch noch eine handvoll Shrimps gar gekocht. John beschreibt jetzt ebenso euphorisch wie vorher Lindy das herrliche Leben der Beothuk. Angesichts der Landschaft und des Essens können wir nicht wiedersprechen.


John, Arno, Lindy
beim Feuer machen
Blick in die Bucht
Mittwoch - 24.7. - Spirit Cove


So, jetzt geht es endlich zur Spirit Cove. Wir müssen die Hafenbucht verlassen und paddeln am Rande des offenen Meeres. Zwischen 2 Felsen ist eine schöne Strecke, ca. 2 m breit und 15 m lang, wo das Wasser richtig durchfegt. Aber wir trauen uns nicht und fahren außen herum. Spirit Cove hat 2 Strände. Wir finden keine besonderen Hinweise und Lindy entscheidet sich, am größeren Strand an Land zu gehen, weil man dort halbwegs gut rauskommt. Die Anlegestelle ist durch einen 30 m breiten Felsrücken vom Strand getrennt und wir klettern hinüber, jeder in seinem Tempo. John ist reichlich erschöpft und frustriert, weil nur ein paar alte Hummerkästen und das übliche angeschwemmte Zeugs zu sehen sind. Mich zieht es erst mal nach oben, denn unter der Hochwasserlinie wird wohl keiner seine Verwandschaft beerdigen. Natürlich liegen dort dann auch die zwei, drei Steinplatten, die im Buch von Ingeborg Marshall abgebildet sind, wenn auch die Vertiefung nicht mehr so ausgeprägt ist. Ich denke mir, dass ich wohl mal John rufen sollte. Der kommt mühsam angetrabt, schaut, zweifelt, vergleicht im Detail mit dem Bild, und wird so langsam richtig ergriffen. Wir merken, dass ihm diese Begegnung mit der Vergangenheit sehr viel bedeutet. Er beschreibt, wie die Beothuk ihre Grabstätten ausgesucht haben: immer am Meer, mit Blick über offene Passagen, um die vorbeiziehenden Boote zu beschützen, möglichst in Richtung Norden. Sein Plan ist, im Rahmen seines geplanten Unternehmens in Zusammenarbeit mit der Memorial University St. John’s mit den interessierten Gästen Amateur-Archäologie zu betreiben. Er schaut sich auch gleich nach einem Zeltplatz um, damit er demnächst mal für 2 Tage herkommen kann, um die Gegend zu untersuchen. Ich mache das sofort, in dem ich mit den Wassersandalen in den Felsen hochkraxele und eine herrliche Aussicht bis in die nächste Bucht habe.
Richtung Ost

Richtung West
Auf der Suche
Referenzfoto
Mittwoch - 24.7. - "Beluga Bay"


Wir machen uns langsam und ergriffen auf den Rückweg. Keiner hat es eilig, die Tour zu beenden, und wir trödeln und erzählen. Lindy findet eine vergessene Hummerfalle im Wasser und versucht sie hochzuziehen, aber mit wenig Erfolg. Er ist dann auch der erste, der wieder am Startplatz ist und seine Sachen zusammenpackt, weil er noch was besorgen muss. Wir erzählen noch eine ganze Weile nachdem er weg ist, und auf einmal kommt er wieder gelaufen. In einer anderen Bucht hinter dem Dorf ist seit ein paar Stunden ein verspielter Beluga-Wal. Da wollen wir natürlich mitspielen und packen schnell unsere Boote auf.

Tatsächlich, im trüben Wasser sieht man einen weißen Körper, wie ein übergroßer Delfin. Die Boote sind schnell wieder im Wasser und wir paddeln mal vorsichtig ran. Das Ufer ist nah, also keine Angst, nur etwas Kribbeln. Aber das legt sich schnell, denn der (oder die?) Beluga will nur eins: gestreichelt werden. Rücken, Blasloch, Flossen, Kopf und Kinn, Schwanzflosse. Es ist unglaublich. In der kühlen, festen und glatten Haut sind nur wenig Narben. Vermutlich ist es ein junges Tier. Wir sind bestimmt eine ganze Stunde dabei, paddeln im Spaß weg, um den Beluga zu locken, ziehen ihn in die Nähe der inzwischen zahlreichen Zuschauer und Fotografen, und staunen immer noch. Irgendwann kommt auch Lindy, der durch seine Masse und sein Temperament ziemlich gut in Resonanz mit dem Beluga kommt. Bald quietschen beide vor Freude.
Schaun mer mal

Wieder kommen wir spät nach Gander zurück und haben viel zu erzählen. Stephanie hat ein Video von „Shipping News“ ausgeliehen, was wir noch zusammen bei einem Glas schottischen Whisky anschauen. Wie üblich, wenn man das Buch toll findet, interessieren uns hauptsächlich die Unterschiede und die Tatsache, dass offensichtlich keiner der Schauspieler den richtigen neufundländischen Dialekt spricht.


Arno mit Beluga
Beluga mit Arno
Petra mit Beluga rückwärts
Donnerstag - 25.7. - Springdale


Heute wird es wieder normal. Aber erst nachdem eine Reporterin aus Lewisporte auf Vermittlung von John Petra 15 Minuten lang per Telefon zu unseren historischen Entdeckungen interviewt hat. Wir verabschieden uns von Gerry und Stephanie, die uns mit ihrer Gastfreundlichkeit sicher wieder nach Gander locken werden, und fahren weiter Richtung Westen. Über Lewisporte, wo wir nichts zum Verweilen finden, und ein Picknick im Notre Dame Provincial Park kommen wir abends nach Springdale. Die Stadt liegt malerisch an einer langen schmalen Bucht und wir schauen und machen Fotos. Die beiden Motels liegen im krassen Gegensatz dazu in einer Sand- und Kiesgrube. Na ja, wozu braucht man Aussicht, wenn es Fernsehen auf dem Zimmer gibt. Zum Abendessen passender Weise wieder Fisch mit Fritten.
Halls Bay


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